Heißt das „Zukunftsholz“ im Jahr 2019 Tanne?
BLOGBEITRAG #1
Anfangen will ich mit einer Zukunftsholzart in unseren Wäldern, der Tanne. Aufgrund mehrerer Kundennachfragen und auch aus eigenem Interesse heraus, nahm ich kürzlich an einer Exkursion in einem Tannenwald in Bad Leonfelden sowie an einer Vortragsreihe zum Thema Tanne im Lichtenfelder Pfarrhaus teil. Dieser Vortragsort wurde aus gutem Grund gewählt, wurde doch die Tanne bei diesem Bauwerk als gestaltendes Holz sehr geschickt eingesetzt. Als Vortragender schilderte uns Holzbaumeister Herbert Nenning aus Hittisau (Vorarlberg), anhand seines eigenen Hauses die Erfahrungen und Möglichkeiten mit der Tanne. Architekt Juri Troy präsentierte einige Projekte, die er bereits mit Tanne umgesetzt hat.
Jede Zeit hat ihre Holzarten
Waren es in den 70er bis 80er Jahren die dunklen Eichenmöbel und -türen, die sehr oft in den Häusern verbaut wurden, wurde in der darauffolgenden Zeit Ahorn und Erle von großen Holzverarbeitern sehr gefördert. Als nächstes folgte ein „Kurzauftritt“ von Nussholz. Seither befinden wir uns in der Ära von Eiche und Zirbe.
Unabhängig dieser Einrichtungstrends, wurde jedoch die Fichte stets sowohl als Bauholz aber auch für Einrichtungsgegenstände eingesetzt. In Zukunft wird allerdings die Fichte in unseren Breiten vor größeren Problemen stehen, da sie den aktuellen und künftigen Klimaveränderungen – bis 2100 wird eine durchschnittliche Klimaerwärmung von 2,5 Grad Celsius prognostiziert – nicht standhalten kann. Eine geeignete Alternative stellt die Tanne dar. Um aber in 100 Jahren über genügend Tannenholz zu verfügen, muss bereits jetzt mit der Aufforstung von Tannenkulturen begonnen werden.
Aktuelles Vorkommen von Fichte und Tanne:
Auch das aktuelle Vorkommen von Tanne und Fichte ist bereits stark vom Klima abhängig: Die Tanne ist derzeit häufig von Mitteleuropa bis Bosnien und sogar ganz in den Süden bis nach Kalabrien – alles Gebiete, die aktuell deutlich wärmere Temperaturen aufweisen, als unsere Regionen – zu finden. Die Fichte hingegen breitet sich mehr in Richtung Norden aus: in Bosnien und Italien sind kaum mehr größere Fichtenvorkommen vorhanden.
Der Grund liegt auf der Hand: Die Tanne kann warmen klimatischen Bedingungen deutlich besser wegstecken als die Fichte. Die klimatische Überforderung der Fichte wird auch bei einem Blick auf die aktuellen Schadholzzahlen der letzten Jahre und deren Entwicklung deutlich: Die Schadholzzahlen steigen jährlich an: Letztes Jahr waren 50 % des geschlägerten Holzes bereits Schadholz, der größte Teil davon war Fichtenholz. Dieses Jahr könnte der Prozentsatz aufgrund der langen Trockenheit und der starken Winden sogar auf eine absolute Rekordzahl von 70 % steigen.
Grund für die gute Kompatibilität zwischen Tanne und warmem Klima ist ihr Wurzelwerk, welches anfangs pfahlförmig und in der weiteren Ausbildung herzförmig in den Boden wächst. Somit dringen die Wurzeln der Tanne auch in unteren Erdschichten noch zu Wasser vor. Die Fichte hingegen steht als Flachwurzler schon sehr bald im Trockenen. Des weiteren hält ein tiefwurzelnder Baum wie die Tanne – trotz dickerem Stammdurchmesser, bei gleichem Baumalter – deutlich besser den immer häufiger werdenden Starkwinden stand. Das sich besonders Tannen aus südlichen Gegenden in Sachen Zuwachsrate gut in unserem Klima zurechtfinden, haben auch Versuche bereits bewiesen: Bei den heimischen Tannen haben auf eine Testzeit von 20 Jahren, Exemplare aus dem Raum Gosau am Besten abgeschnitten. Noch etwas besser performten allerdings Tannen aus dem kalabrischen Monte Gariglione. Bezüglich anderer Eigenschaften und Optik gab es keine nenneswerten Unterschiede.
Warum wird die Tanne stiefmütterlich behandelt?
Aufgrund all dieser Daten und Fakten wäre es wichtig, das Vorkommen der Tanne zu forcieren. Die Zahlen sprechen jedoch eine völlig andere Sprache: Im Schnitt haben wir in unseren Wäldern 63% Fichtenholz, ca. 15 % Buchenholz und die übrigen 20 % setzen sich aus Ahorn, Eiche, Lärche, Esche und Kiefer zusammen. Auf die Tanne entfallen lediglich 2%, und das, obwohl ihr ein natürliches Vorkommen von 20% zugesagt wird. Dies liegt aber nicht an einer zu umfangreichen Entnahme des Tannenholzes – generell wächst in Österreich mehr Holz nach als entnommen wird -, sondern an der einseitigen Aufforstung vergangener Tage.
Diese stiefmütterliche Behandlung der Tanne hat verschiedene Gründe: zum einen sind Tannen mehr vom Verbiss bedroht, da ihre Nadeln im Gegensatz zur Fichte nicht stechen. Auch die Abschlagszahlungen der Holzeinkäufer sind für die Tanne geringer als für die Fichte. Aber warum ist eigentlich eine Tanne weniger wert als eine Fichte, obwohl sich diese beiden Holzarten in Sachen Belastbarkeit und Optik sehr ähneln? Ein Grund liegt im Verkauf dieser beiden Holzarten. Denn obwohl der gemischte Einsatz der beiden Holzarten nur schwierig möglich ist, werden die Holzarten gemischt verkauft! Eine Tatsache, die völlig unverständlich ist: Fichte und Tanne verfärben sich mit der Zeit völlig unterschiedlich (Tanne wird gräulich, Fichte wird gelblich) und benötigen unterschiedlich lange, um zu trocknen. Der gemeinsame Einsatz bei Sichtdachstühlen oder Mehrschichtplatten ist daher nicht möglich! Würden man allerdings die Tanne als eigenständiges Holz verarbeiten, wären diese Probleme alle aus dem Weg geräumt und man könnte sich auf die Vorteile der Tanne gegenüber der Fichte konzentrieren.
Vorteile der Tanne gegenüber der Fichte:
Die Tanne ist ein Holz, das kein Harz produziert. Somit müssen in der Verarbeitung keine Harzgallen ausgebessert werden. Weiters ist die Tanne frei von roten Jahresringen. Ein weiterer Vorteil ist die bereits angesprochene Farbentwicklung der Tanne, die eher ins gräulich leicht violette geht. Im Gegensatz dazu muss Fichte oft durch UV Schutzöle – und Lacke oder durch weißliche Öle künstlich hell gehalten werden. Auch die vorherrschende Meinung, dass die Äste der Tanne meistens sehr dunkel sind, ist nicht korrekt, wie ich beim Vortrag erfahren habe. Dunkle Äste sind kein typisches Merkmal der Tanne, sondern sind das Resultat einer falschen Bewirtschaftung.
Tanne als Holz der Zukunft:
Um zu einem Schluss zu kommen, wird es den aufmerksamen Leser nun nicht wundern, dass die Tanne aus meiner Sicht eine große Zukunft hat. Und zwar nicht nur als sichere forstwirtschaftliche Holzart für die nächsten Jahrzehnte und Jahrhunderte, sondern auch als sichere regionale Holzquelle für Bauholz und gestalterische Zwecke. Vorreiter ist hier das Bundesland Vorarlberg, wo Tannenholz schon sehr häufig auch bei ganz modernen Bauten eingesetzt wird. Denn entgegen der allgemeinen Meinung können Nadelhölzer auch perfekt in modernen Häusern eingesetzt werden, hier sind uns die Vorarlberger Holzbaufirmen, Bauherren und Architekten einen Schritt vor raus.
Packen wir es an – jetzt!
Wir, als holzverarbeitender Betrieb, haben uns das Ziel gesetzt, die Forstwirte bei der Aufforstung mit Tannen zu unterstützen und so eine wichtige und richtige Entwicklung voranzutreiben. Wir haben schon Tannen-Lieferanten gefunden, zum Beispiel für unsere Widlholztüren. Bei diesen Türen bringen wir die gesamte Stammoptik zur Geltung. Perfekt mit Fichtenfenstern kombinieren lassen sich Wand- und Deckenverkleidungen, Innentüren, Küchen oder Schrankräume aus Rift- geschnittenem Tannenholz. Mit dieser besonderen Technik des Einschneidens in den Baum, wird ein sehr schlichtes und astfreies Holzbild generiert.
Auch für Böden eignet sich Tanne bestens. Wer schon einmal bewusst auf einem Fichten- oder Tannenboden sowie einem Ahorn-oder Birkenboden gegangen ist, der kann mich verstehen, wenn ich von einem „anderen Gehgefühl“ auf Nadelbäumen spreche. Wir verarbeiten unsere Nadelhölzer zum größten Teil gebürstet: somit wird das Holz widerstandsfähiger und es verzeiht kleine Alltagsspuren besser. Darüber hinaus fühlen sich gebürstete Oberflächen wärmer an und spiegeln nicht bei seitlicher Sonneneinstrahlung. Trauen Sie sich, die Fichte und die Tanne sind nicht nur im rustikalen Bereich ein echter Hingucker!
Quellen: Tagungsunterlagen und zum Teil Bilder und Grafiken.
Bilder und Grafiken copyright by:
Waldbauexperte Christoph Jasser
Prof. Dr. Alfred Teischinger
Architekt Juri Troy
Holzbaumeister Hermann Nenning
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